Kann mal jemand das Licht ausmachen!
Ein
weiteres Experiment, welches ich schon seit einigen Wochen durchführe,
möchte ich hier erwähnen. Ich habe mich schon des öfteren gefragt, ob
das Nutzen von Elektrizität eigentlich ein Grundbedürfnis ist, ob man
auch bei all dem industriellen Fortschritt einfach drauf verzichten
kann, ohne den Kontakt zur Außenwelt zu verlieren und was passiert
eigentlich, wenn Facebook und Co nicht abrufbar sind? Was mache ich
stattdessen? Womit beschäftigt man sich wenn das Licht ausgeht? Wie ist
es ohne Musik und andere äußere Reize? Was werde ich vermissen? Was
führt mich am ehesten auf die Antwort? Na klar, der Selbstversuch.
Anders
als bei meinen anderen Experimenten habe ich mich dazu entschlossen auf
die Hauruckmethode zu verzichten und organisiere mir jede Woche
mindestens einen, manchmal auch zwei stromfreie Tage, diese sind nicht
fest aufgestellt, sondern werden eher aus dem Bauch heraus am jeweiligen
Morgen entschieden. Das bedeutet also, ich stehe jeden Morgen auf ohne
das Licht anzuschalten und verharre 5 Minuten in der Dunkelheit, um dann
zu entscheiden wie wichtig mir jetzt in den Moment Licht ist und ich
kann euch sagen allein diese 5 Minuten machen meinen Geist wacher und
klarer als alles andere zuvor. Zu Recht kommt jetzt die Frage, wie
erkläre ich das meinen Sohn morgens, wenn er das Licht nicht anschalten
darf? Tja, ich schätze, er kennt mich einfach nicht anders und hat es
gelernt besonders flexibel mit äußeren Umständen zu sein, auf unseren
Reisen geht es ihm nicht anders. Da er der jenige ist, der morgens den
Hauptschalter umlegen darf, ist es dann für ihn nochmal eine besondere
Motivation. Er versteht es als ein Abenteuer, wie soviele meiner
Experimente und ich stelle immer wieder fest wir sollten uns viel mehr
auf kindliches Verhalten verlassen, darauf zurrück besinnen, als wir
noch von der Gesellschaft ungeformt waren und uns auf Instinkte
verlassen haben, die unser Überleben sichern und nicht von Status und
Konsum gesteuert sind.Ich möchte hier besonders den Verlauf der ersten Tage ohne Strom hervorheben, weil sie so bezeichnend und bereichernd für mich waren. Kurz nochmal festgehalten, Hauptschalter aus bedeutet kein Licht, kein Telefon, kein Kühlschrank, keine Multimediageräte (Fernseher ist schon seit 2 Jahren verbannt) und kein Herd, wobei auch der schon durch meine Vorliebe zur Rohkost und aus Platzgründen vor einigen Monaten lebenswichtigeren Dingen weichen musste. Im Klartext haben wir zur Unterhaltung nur uns und wir sprechen hier nicht von einer Nacht zelten, wo man den Zustand erwarten würde.
Besonders aufregend war für mich der erste Abend, als wir bei bereits einsetzender Dunkelheit die Gute-Nacht-Geschichte mit Janniks kleiner Dynamobetriebenen Taschenlampe lasen. Jannik schlief dann ein und ich? Tja, was war nun mit mir? Normalerweise stöber ich dann ein wenig im worldwideweb, telefonier mit Freunden oder höre ein wenig Musik. All das war nicht möglich. Ich verspürte eine Leere in mir, empfand diesen Moment als sinnlos und Zeitverschwendung, was könnte ich alles tun jetzt? Puhh, es war sehr schwer dieses Maß an Langeweile zu ertragen bis ich dann deutlich früher ins Bett ging als gewohnt. Am nächsten Morgen stellte ich eine ungewohnte Ausgeglichenheit und Ausgeruhtheit fest und mir wurde schnell klar, dass mich das Abschalten des Stroms zu einer Rast gezwungen hat, die man sonst nur im Urlaub, fernab vom Alltag erlebt. Mir gefiel das Gefühl und bereits beim nächsten stromfreien Tag nahm ich die Langeweile nicht mehr als etwas negatives sondern sehr bereicherndes wahr. Ich genoss die Ruhe und freute mich auf die mentale Auszeit nach der Gute-Nacht-Geschichte, freute mich auf frühen und ausgeglichenen Schlaf, auf das Wissen, dass niemand diesen Moment stören wird durch ein Telefonklingeln oder das Chatgeräusch am Laptop. Ich lerne mit jedem stromfreien Tag mehr und mehr in mich zu gehen und habe das Gefühl, endlich den Schlaf zu kriegen, den mein Körper so dringend braucht.
Wieder einmal erlebe ich wie der vermeintliche Verzicht auf etwas mich soviel reicher macht und auch unabhängiger,flexibler und bodenständiger. Ich denke, gerade in den Industrieländern hat der Fortschritt längst dazu geführt, dass wir verlernt haben unsere Instinkte zu nutzen, denn mal ganz im Ernst, was passiert mit mir wenn ich keine Entertainmentgelegenheiten um mich habe? Wenn Socialmedia und Co nicht nutzbar sind? Wenn die Dunkelheit eintritt und das Licht nicht angeht, wenn die künstliche Verschiebung von Tag und Nacht den Mondzeiten weichen muß? Ganz genau, wir passen uns an, wir werden müde, wenn der Tag zu Ende geht, wir halten Smalltalk mit Menschen, die wir treffen und nicht via Telefon und Facebook. Es wird auf einmal alles so viel lebendiger und ich freue mich sehr auf ein längeres Projekt dieser Art, ohne den Aufstehzwang zwecks Arbeit, wobei an dieser Stelle einmal erwähnt sei, dass meine innere Uhr die Arbeitszeiten so abgespeichert hat, dass ich nichtmal den Wecker benötige an den stromfreien Tagen, er dient einzig und allein den sicherheitsbewussten Unterbewusstsein.
Fazit: ein Tag ohne Strom ist kein Verzicht, sondern eine Bereicherung und die Möglichkeit für mich , den gestressten Alltag für einige Momente anzuhalten. Ist das nicht ein Stück von Freiheit?
Gelöst von Abhängigkeiten, in denen es ja immer wieder um Macht geht und nicht um Instinkte und Grundbedürfnisse, genieße ich dennoch die Vorteile der elektrischen Versorgung am Folgetag und nehme diese auch bewusster und nicht als selbstverständlich wahr. Ich freue mich, dass ich mir selbst auf diese Weise regelmäßig die Chance geben kann, meine innere Stimme mehr wahr zu nehmen.
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